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Rzeczpospolita Polska

kurz hinter Grenze sehe ich in Braniewo einen „Car Wash“ mit über drei Meter Durchfahrthöhe und beschließe, die mittlerweile einige Millimeter dicke Sand und Lehmschicht am ExMo wenigstens grob zu reinigen. Vor dem Münzautomaten stehend fällt mir dann auch wieder ein, dass Polen zwar EU Mitglied ist, aber leider keine Euro Währung besitzt. Egal, ich schmeiße einfach mal ein 50 Cent Stück rein, und siehe da es funktioniert! Liebe Polen, wenn dass nicht so vorgesehen sein sollte, entschuldige ich mich hiermit für meine Schandtat. Jedenfalls bekomme ich 5 Złoty lang Zeit, um ExMo einmal rundherum abzuduschen.

Spät am Abend finde ich einen ruhigen und offenbar videoüberwachten Stellplatz am Hafen von Tolkmicko, mit Blick auf das Frische Haff (Zalew Wislany) und direkt neben meinem Wappenvogel. Den Wegweiser zum gesuchten Campingplatz entdecke ich erst am nächsten Morgen, er stand versteckt hinter anderen Schildern. Auf dem Platz am Hafen mangelt es aber auch an nichts, und neben einem schönen Ausblick gibt es in einem modernen Sanitärhaus gegen eine kleine Nutzungsgebühr sogar Waschmaschinen. Für die nachträglich in Bar zahlbare Parkplatzgebühr muss ich mich allerdings erst zum Dorfplatz begeben, wo es hinter der Kirche einen Geldautomaten geben soll. Den gibt es tatsächlich, und er funktioniert auch, sieht aber schon abenteuerlich aus 🙂

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Ich mache mich über Nebenstraßen weiter auf den Weg in Richtung Küste nach Stegna. Bei Nowakowo muss ich wegen einer nicht mehr in Betrieb befindlichen Fähre über den Fluss Nogat eine Umfahrung entlang des schönen Flusses nach Süden nehmen, die mich dann bei Bielnik Drugi auch über diesen Flus führt.

Doch dann fehlt wieder mal eine Brücke! Ohne Vorwarnung ist am kleinen Flüsschen Tuga plötzlich Schluss: Baustelle. Aber zum Glück ist eine Umleitung ausgeschildert, für Fahrzeuge bis 7.5 Tonnen. Da kann ja nichts schiefgehen. Die Umleitung entpuppt sich allerdings als eine Art befahrbare Deichbefestigung, auf der mir glücklicherweise nur ein einziges Fahrzeug entgegen kommt, dessen Fahrer mit nicht gerade geringer Geschwindigkeit geistesgegenwärtig in die Wiese flüchtet. Auch bin ich mir nicht sicher, ob diese Umleitung mich wirklich meinem Ziel näher bringt, da es beständig nach Süden geht, über Höfe und unter immer tiefer hängenden Ästen hindurch. Schließlich erreiche ich am offensichtlichen Ende der Umleitung doch noch eine befahrbare Brücke über den Fluss und komme so auf Umwegen und über weitere befahrbare Brücken in Rybina an 🙂 guckst Du hier.

Von hier geht es einfach nur noch Richtung Norden bis zur Küste an der Danziger Bucht. In Stegna findet sich nicht so wirklich ein Ortskern, vielmehr reihen sich die meist touristischen Geschäfte und Restaurants eher lieblos an der Hauptstraße entlang. Durch den breiten Küstenwald sind es dann noch knapp 3 km bis zum Stegna Plaza, an dem es sogar einen Campingplatz gibt. Da die Parkplatzgebühren unwesentlich niedriger als die Campingplatzgebühren sind, beschließe ich einen Strandtag einzulegen und parke auf dem Campingplatz mit dem schönen Namen Nr. 180. Diese nummerierten Campingplätze begleiten einen durch ganz Polen, was auf der einen Seite praktisch erscheinen mag, auf der anderen Seite aber doch ein klein wenig einfallslos ist. Trotz einer minimalen, ich nenne sie mal „Haltestelle für schienengebundene Fahrzeuge“ hat der ganze Strandbereich viel gemeinsam mit Rimini anno 1980, voll und laut mit einem „günstigen“ Ambiente. Ich suche mir 2 km westwärts ein ruhiges Plätzchen am Strand und lasse den Tag beim  Sonnenuntergang mit einem guten Gläschen ausklingen.

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In der Nacht gibt es dann noch einen „Angriff“ der Riesenheuschrecken 😉 bis zum Morgen verwahre ich sie sicher in der Frischhaltebox und lasse Sie ihres Weges ziehen,  und ziehe selber weiter nach Danzig.

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Im morgendlichen Nebel geht es mit der Fähre über die Wisła (Weichsel), die sicherheitshalber mit einem Lotsenboot in Position gehalten wird, um kurz darauf bei Sobieszewo die Martwa Wisła (Tote Weichsel) auf einer schwenkbaren Pontonbrücke zu überqueren, die auf mich eher den Eindruck einer Behelfsbrücke macht. Damit das ganze auch schwimmfähig bleibt, immer schön Abstand halten 🙂

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Auf der Fähre gebe ich unfreiwillig 10,- Złoty Trinkgeld, was aber der eigenen Blödheit geschuldet bleibt. Die Preise sind ausgeschildert und ich teile mich eigenständig bei einer Kostenbeteiligung von 30,- Złoty ein, und gebe diese der Deckshand in schön zusammengefalteten 10,- Złoty Scheinen, worauf er mir freundlich 4,- Złoty zurück gibt und schwupps verschwunden ist, ehe ich den Schummel realisiert habe. Er hat es aber nicht absichtlich gemacht, da er die Scheine so zusammengefaltet in seine Börse gesteckt hat. Daher spare ich mir auch die vermutlich hoffnungslose Reklamation 🙂

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Gdansk

Wenig später verzieht sich der Nebel und ich finde mich in der Altstadt von Danzig unter tausenden von Touristen wieder. Erstaunlicherweise habe ich am heutigen Samstag ohne besondere Mühe einen kostenfreien Parkplatz gefunden und kann so ohne Eile durch die Straßen von Gdansk bummeln.

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sehr beliebt bei unseren Nachbarn und in allen Häfen anzutreffen sind Ausflugsmöglichkeiten auf Piratenschiff ähnlichen Replikas, deren meist segelfreie und somit völlig überflüssigen Masten mit überdimensionierten Dieselmaschinen und einer für eine historische Fregatte unwürdig hoher Geschwindigkeit an den Küsten auf und ab schippern. Es muss in Polen irgendwie ein Art von unheilbarem Jack Sparrow Fieber geben?

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mich zieht es bei schwülwarmem Wetter lieber auf die Terrasse einer gemütlichen Kneipe, von der sich das bunte Treiben prima beobachten lässt. Das es kein polnisches Bier gibt wundert mich dann doch, zumal es doch in Polen sogar die ein oder andere königliche Brauerei geben soll (?!). Also probiere ich ein ukrainisches Starkbier, sehr lecker, und bilde mir ein, die Ukraine mit dem Genuss dieses Bieres wirtschaftlich zu unterstützen 😉 .

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Leicht alkoholisiert erklimme ich dann die 409 Stufen des 82 m hohen Glockenturms der Marienkirche. Zunächst geht es beängstigend eng auf einer Wendeltreppe ohne Ausblick hinauf, um dann auf breiterer Treppe im oberen Glockenturm entlang der Außenmauern leichter voranzukommen. Zum Glück ist es im Turm angenehm kühl, aber das Starkbier gleicht diesen Vorteil wieder aus und treibt mir die Schweißperlen auf die Stirn. Beim Anblick der riesigen Glocken könnte es aber auch die Angst vor einem außerplanmäßigem Glockengeläut sein.

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Oben angekommen ist der Ausblick „amazing“, auch wenn es etwas diesig ist und der Blick nicht bis zur Ostsee reicht.

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Nach so viel Trubel verlasse ich am späten Nachmittag Danzig in Richtung Nordwesten, um noch stundenlang bis weit hinter Gdynia durch stark bebaute und zersiedelte Landschaften zu fahren. Welche Häuser zu welchen Ortschaften gehören kann ich nicht immer zweifelsfrei ermitteln. Erst kurz vor Władysławowo wird es langsam dünner besiedelt. Ich finde sogar einen Parkplatz mit Blick auf die Danziger Bucht, aber leider ist es nahe der Straße sehr laut, weil mir wahnsinnig viel Verkehr aus Richtung Władysławowo entgegen kommt, vermutlich alles Wochenendausflügler auf dem Heimweg. Da der Parkplatz zudem stark frequentiert ist fahre ich noch weiter und biege 1 km weiter in einen auf dem Navi verzeichneten Feldweg ein. Da es bereits dunkel ist erkenne ich erst im Scheinwerferlicht, dass ich mitten auf einem Acker stehe. Ich falle halt immer wieder auf mein Navi rein 😉 Rückwärts auf die Hauptstraße geht eher nicht, also wende ich über den Acker was mit dem G problemlos klappt. Beim einbiegen auf die Hauptstraße ziehe ich aber zu schnell nach rechts und lande mit dem rechten Hinterrad in einem übersehenen Straßengraben! Aber auch das steckt der G glücklicherweise weg, dafür bin ich wieder hellwach. Wenige Minuten später offenbart sich in Władysławowo der Ursprung der abendliche Rush Hour, ein einziger riesiger Vergnügungspark, weiter westlich gefolgt von noch ein paar kleineren als Ortschaft getarnter Vergnügungsparks. Also steuer ich bei 54°49’53″N 18°14’17″E den nächsten auffindbaren Parkplatz an, störe vermutlich im Stockdunkeln die Camper zweier dort bereits stehender WoMo’s und mache „Feierabend“ für heute.

Słowiński Park Narodowy

Mit etwas Geduld oder alternativ dem vorangehenden Studium von diverser Reiselektüre, auf die ich für Polen vollständig verzichtet habe, finden sich auch an der polnischen Küste schöne Landschaften. Hinter Łeba werde ich fündig, im Słowiński Park Narodowy. Und wie in den allermeisten Nationalparks der Ostseeküste handelt es sich auch hier um ehemaliges Militärgelände, von dem nur noch ein kleiner Teil genutzt wird. Die Dünen und Strände an diesem Küstenabschnitt mit nahezu weißem Sand halte ich persönlich für weit schöner als die der Kurischen Nehrung. Um alles zu erkunden kommen einige Kilometer per pedes zusammen, denn für private Fahrzeuge ist der Park vollständig gesperrt. Aber urteilt selber:

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Gardno

Auf der Westseite des Parks finde ich dann sogar noch einen kleinen Campingplatz. Das Surfcamp Gardno am gleichnamigen Strandsee, der von der Ostsee nur durch eine schmale Nehrung getrennt ist. Dieser Platz ist zumindest in der Nachsaison ein echter Geheimtipp, hat dann aber auch nicht mehr lange geöffnet. Mit 24,- Zloty finde ich die „all inclusive“ Gebühr auch noch extrem günstig, und so beschließe ich bei spätsommerlichem Wetter einige Tage zu bleiben. Die Betreiber sind schon mächtig am aufräumen und zusammenpacken. Da der Platz bis auf ein paar Dauercamper bereits leer ist, darf ich mich irgendwo hinstellen wo es mir gefällt. Ich wähle natürlich „mit Seeblick“ und in Ufernähe, damit ich umgehend, nach nur wenigen Zusammenbau-Minuten 😉 das Kajak zu Wasser lassen kann. Da es auch einen Kanu und & Kajak Verleih gibt, wird meine Baukunst kritisch beobachtet, endet aber nach dem ersten Ausflug mit der Nachfrage nach dem Hersteller des Kajaks und was denn so ein Teil in Deutschland kostet.

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Der See hat an dem kleinen Dorf Rowy einen Durchstich zur Ostsee, es ist die Mündung des Flusse Lupawa, so dass ich hier endlich auch einmal die Seetüchtigkeit meines Kajaks erproben kann. Es erweist sich allerdings als ziemlich schwierig, vom Gardno kommend, den Eingang in diese Schilf bewachsene Mündung zu finden, zumal es aussieht, als sei der ganze Mündungsbereich auch noch mit Stellnetzen abgeriegelt. Schließlich finde ich aber doch noch einen Durchschlupf in den Netzen und meine, dass der schwierigste Teil damit erledigt sei. Prompt lande ich im Schilfgewirr in einer Sackgasse und ertappe mich erstmalig dabei, elektronische GPS Hilfe in Anspruch zu nehmen. Die sagt mir, dass ich es einen Durchlass weiter nördlich versuchen soll 🙂 Der restliche Weg bis zur Mündung wird dann immer einfacher, zumal ich noch einen Lotsen in Form eines Tretbootes erhalte. Vorbei am kleinen Fischereihafen ist der Mündungsbereich in die Ostsee in keinem natürlichen Zustand mehr, sondern von meterhohen Betonmolen eingezwengt. Damit ergeben sich aber für wenige Meter neue Schwierigkeiten. Bei einem frischem Nordostwind steht dieser hier nämlich schräg zur Strömung der Lupawa, was am Molenkopf zu unangenehmen Kreuzseen führt, die von der Mole wieder zurücklaufen. Mit einem etwas größeren Boot wäre das nun nicht so wild, wenn man aber schon in Höhe der Wasserlinie sitzt, dann erscheinen einem schon 50 cm hohe Wellen als riesig. Kentern wäre hier auch nicht so lustig, denn bis zum Strand sind es gut 150 m, und an den Molenköpfen kann ich nicht erkennen, wo man hier rauskommen könnte, zumal meine Schwimmweste sicher und trocken im ExMo liegt. Es geht aber alles gut und das Kajak liegt prima im Wasser, so dass mit ein paar kräftigen Paddelschlägen die Wellen schnell überwunden sind.

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Tags darauf finde ich auf der anderen Seite des Gardno den Zufluss der Lupawa wesentlich leichter. Für den richtigen Kurs gibt es zwei einfache Erkennungsmerkmale, das Wasser wird zunehmend klar und zunehmend kälter. Die Lupawa hat wider erwarten eine ziemlich starke Strömung und so erfordert der Weg stromaufwärts an wenigen Engstellen bedingt durch mächtige oder auch umgestürzte Bäume doch etwas Konzentration. Dafür ist der Rückweg um so entspannter, das Paddeln dient hin und wieder nur noch der Kurskorrektur. Wer sich mit dem Auto ins Hinterland bringen lässt, kann hier insgesamt über 100 Paddelkilometer stromabwärts bis zur Mündung genießen.

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In dem kleinen Dorf Niechorze findet ich einen besonders schönen 150 Jahre alten Leuchtturm. Ob er nur zur Geburtstagsfeier mit bunten Lichtleisten geschmückt wurde oder ob auch diese „Verzierung“ dem allgemeinen polnischen künstlerischem Anspruch entspricht, habe ich nicht herausbekommen. Nun ja, wenn sie nicht weg können, ist es vermutlich Kunst, auch wenn diese Lichtleisten den historischen Turm eher verunstalten als zieren.

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Świnoujście

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Über die Świna geht es ein letztes mal mit dem Ferryman vorbei am Kanal Piastowski (Kaiserfahrt) nach Świnoujście (Swinemünde) auf die Insel Usedom. Am Strand schlendere ich zur Grenze nach Deutschland, die seit Dezember 2007 endgültig für den freien Grenzübertritt geöffnet wurde. Am Strand selber findet sich als Grenzmerkmal, typisch deutsch, nur der Hinweis auf den Hundestrand und dass ab hier doch bitte Eintritt zu zahlen sei. Nun ist es in Polen der gleiche Sand wie in Deutschland, was diese Aufforderung zur Kurabgabe völlig albern erscheinen lässt. Irgendwie hat man bei der Grenzöffnung aber wohl versäumt, die ehemaligen polnischen Wachtürme zu deutschen Kassenhäuschen umzurüsten. Und so kommt es weder mir noch vermutlich vielen anderen europäischen Mitbürgern in den Sinn, auch nur irgendeinen Euro für das Betreten des „deutschen“ Sandes zu bezahlen. Einige Meter landeinwärts findet sich aber noch ein würdiger Hinweis auf die innereuropäische Grenze, an der man unkontrolliert flanieren kann, mit Blick auf den immer noch vorhandenen, gut gerodeten Grenzstreifen.

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am Ende dieser wieder viel zu kurzen und knapp 8000 km langen Reise präsentieren sich mir noch einmal alle neun bereisten baltischen Anrainerstaaten in einer kleinen Flaggenparade. Von Dänemark über Schweden nach Finnland. Weiter nach Russland, Estland, Lettland und Litauen und zurück über Polen nach Deutschland.

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the end

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to be continued 2017