Liepäja

 

ein Kurztrip nach Lettland mitten im Herbst? nunja probieren geht über studieren, obwohl mit dieser Reise auch einige Stunden Studium verbunden sind. In Riga steht russisch auf dem Stundenplan, das bietet sich zum einen wegen des hohen russischen Bevölkerungsanteils an und zum anderen verlängert es die viel zu knappe jährliche Urlaubssaison in Form von Bildungsurlaub. Und vielleicht geht es irgendwann doch noch mal in Richtung Mongolei via Rossia ? Nun liegt Riga ja nicht mal kurz um die Ecke und so geht es erstmal entspannt mit der Fähre von Travemünde nach Liepäja, so der Plan. Die Entspannung wird aber schon zu Beginn der Reise auf die Probe gestellt, wegen Sturmes hat die „LKW“-Fähre der Stena Line sechs Stunden Verspätung. Nicht so tragisch mag man denken, es gab dafür eine rechtzeitige Information der Reederei, allerdings heißt dass nun lange nicht, dass man auch sechs Stunden später einchecken darf. Großzügigerweise wurde das Checkin um zwei Stunden verlängert, was defacto bedeutet, dass man sich dennoch zu nachtschlafender Zeit sechs Stunden lang sinnlos auf der Hafenpier in Travemünde die Reifen platt stehen darf ☹️ Dafür gibt es dieses mal ordentlich Minuspunkte bei der üblichen „bewerte mich jetzt“ qualityland Umfrage. Das Motto unter dem die Fähre „Urd“ verkehrt ist im Übrigen sehr ehrenhaft und verdient vollste Zustimmung, aber die Farbe blättert leider schon ordentlich. Und das wohl nicht nur an der Fähre ?

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Die Überfahrt ist dann aber bei sonnigem Wetter wieder ganz entspannt und der Käpt’n holt sogar drei Stunden Verspätung auf, obwohl die Finnjet Fähren auf der Überholspur vorbeiziehen. Was aber macht man nun mitten in der Nacht in Liepäja? Nun man sucht sich ein Plätzchen am Strand nur gut 10 km südwärts und dann heißt es erstmal ausschlafen. Am Morgen ziehen bereits die ersten Wolken auf und verheißen nichts Gutes. Auch der Hinweis, dass man an diesem schönen und leeren Strand auf eigene Verantwortung unterwegs ist, macht nachdenklich, heißt es doch im Umkehrschluss dass eine vorhandene Baywatch einem alle Verantwortung abnimmt, oder ?? Nun ich nehme es jedenfalls mit der eigenen Verantwortung sehr ernst und entscheide daher, dass mir das Wasser viel zu kalt zum baden ist 😉

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Skrunda

also geht es nach einem gemütlichen Frühstück weiter ostwärts in Richtung Riga. Es steht ein Abstecher in die Geisterstadt von Skrunda auf dem Programm. Diese ehemalige sowjetische Radarstation samt Wohnblöcken für die Familien der Militärs wurde endgültig 1998 aufgegeben und steht seit nunmehr 20 Jahren leer. Eine Information von WiKipedia, dass man diese Geisterstadt für ein Eintrittsgeld von 4 Euro besuchen könne, erweist sich jedoch als falsch. Richtig ist dagegen dass die abgesperrten Zufahrten zwar problemlos zu überwinden wären (guckst Du hier), aber offenbar auch richtig ist, dass das lettische Militär die zerfallenden Häuser als Trainingsgelände nutzt. Und so hindert mich nicht nur der einsetzende Regen am betreten der Geisterstadt sondern auch einige erkennbare Militärfahrzeuge, mit denen ich mich nun nicht gerade anlegen möchte. Als kleines Trostpflaster für entgangene Entdeckungstouren präsentieren sich dafür einige Hirsche mit mächtigen Geweihen. An frühere sinnlose Subventionen erinnert eine alte Eisenbahnbrücke nach nirgendwo, auch wenn diese Brücke schon wesentlich älter zu sein scheint als die in den 70er bis 80er Jahren entstanden Brückenleichen im „goldenen Westen“.

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Riga

Riga im Herbst, mit dem Glück meist schönstes Wetter zu haben, ist immer eine Reise Wert. Für alle diejenigen, die beim Anblick der folgenden Bilder aus Riga meinen, ein Déjà-vu zu haben, mag das übrigens daran liegen, dass es vor zwei Jahren schon einmal einen kleinen Durchreisebericht gab: offblock.site/latvija-2016/ Aber es gibt natürlich noch vielmehr zu sehen und vor allem kulinarisch zu genießen, als auch dieser kleine ergänzende Bericht zu bieten vermag.

Zunächst einmal das Panorama von Riga an der in Rußland als „Sapadnaja Dwina“ entspringenden Daugava mit zwei von insgesamt vier Brücken, wobei eine Brücke nur von der Eisenbahn genutzt wird. Auf den restlichen drei Brücken herrscht dann auch jeden morgen der vorhersehbare Stillstand in Richtung City, so dass ich mir das zwar durchaus günstige Fahrgeld für den Bus spare, da ich zu Fuß mindestens genauso schnell in der Innenstadt bin. Weniger günstig ist es dagegen in der City zu parken, bis zu 13 Euro sind für zwei Stunden hinzublättern, wobei es mich wundert dass die Parkplätze dennoch recht gut belegt sind, in einem Land in dem die Kluft zwischen arm und reich offenbar immer noch sehr groß ist. So werden die Blumenverkäufer bestimmt keine Reichtümer erwirtschaften, zumal es eine eigenartige Sitte ist, sowohl hier inmitten der Stadt als auch auf dem Rigaer Zentralmarkt, alle Blumengeschäfte unmittelbar nebeneinander zu platzieren. Konkurrenz belebt zwar bekanntlich das Geschäft, aber hier scheint mir die Konkurrenz doch eher die Umsätze zu minimieren, da andernorts keine Blumen zu finden sind.

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Immer wieder ein Highlight ist natürlich Rīgas Centrāltirgus, der Zentralmarkt von Riga, wo es nichts gibt was es nicht gibt. Erstaunlicherweise wird auch immer noch Stör angeboten, in Anbetracht der geringen Größe ist mir nicht klar ob es sich um Zuchtstör handelt oder es die wenigen letzten wilden Störe sind die da geräuchert angeboten werden? Preise bis zu knapp 1000 Euro für das Kilo Kaviar scheinen aber eher auf wilden Stör hinzudeuten? Nunja, ich bleibe da lieber bei dem günstigerem Salzstreuer, obwohl die Auswahl an Gewürzen auch nicht zu verachten ist 🙂

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Auf vielen Bildern taucht zwangsläufig auch immer das Gebäude der wissenschaftlichen Akademie von Riga im Hintergrund auf. Das 107 Meter hohe Gebäude war das erste Hochhaus in Riga und wurde in einer Bauzeit von 10 Jahren zwischen 1951 und 1961 fertig gestellt. Heutzutage eine unvorstellbar lange Bauzeit für dieses relativ kleine Hochhaus, sieht man einmal von der Hamburger Elbphilharmonie ab 🙂 Es war ursprünglich als Hotel für die Arbeiter und Bauern vorgesehen und beherbergt heute neben einem Konzertsaal diverse wissenschaftliche Fachbereiche wie Physik, Chemie, Forst und Landwirtschaft oder Medizinische Fakultäten. Obwohl dieses Gebäude einer Stalinistischen Architektur entsprechen soll und angeblich als “Stalin’s birthday cake” oder “Stalin’s tooth” bezeichnet wird, erinnert es mich eher an die frühzeitlichen Wolkenkratzer in New York wie z.B. das Empire State Building. Ein Besuch auf der Aussichtsplattform lohnt sich in jedem Fall, der Blick reicht bei gutem Wetter bis zum Baltischen Meer und die 5 Euro Eintritt werden dann hoffentlich für den Erhalt des Gebäudes investiert.

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Aber auch an weniger spektakulären Plätzen gibt es vielschichtige Fotomotive ohne Ende in Riga, so dass man durchaus das ein oder andere Paar Schuhe verschleißen könnte um überhaupt alles zu sehen. Das ist insofern erstaunlich als dass diese alte Hansestadt mit 300 km2 nicht einmal halb so groß ist wie vergleichsweise Hamburg. Aber das Tor zur Burg sieht schon mal sehr ähnlich aus. Trotzdem waren die Rigaer schlauer als die Hamburger, sie haben nämlich die Schlüssel für ihr Tor gleich dabei während die Schlüssel für das „Hamburger Tor zur Welt“ im Bremer Wappen gelandet sind 😉 Apropos Bremen, es war dann auch ein Bremer Bischof der Riga im Jahre 1201 gründete und so ist es wohl auch zu erklären, dass sich die Bremer Stadtmusikanten in einer Zweitausgabe als Geschenk der Stadt Bremen an der Petrikirche finden lassen.

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Nach so viel Stadtbummel wirds dann auch mal Zeit für einen Ausflug an das Baltische Meer. Die Bezeichnung Ostsee ist auf dieser Seite der See eher irreführend, logischerweise müsste die Ostsee hier eher Westsee heißen, aber Baltisches Meer geht immer! Zuvor gibt es noch einen kurzen Abstecher auf die Insel Zakusala zum Fernsehturm von Riga, mit 368 m Höhe immerhin der höchste Fernsehturm innerhalb der EU, allerdings teilt auch dieser Fernsehturm das Schicksal mit seinem kleineren Genossen in Hamburg: Aussichtsplattform und Restaurant sind wegen Baufälligkeit geschlossen, man sucht auch hier einen Investor 🙁

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Ich verlasse die Insel in der Daugava und begebe mich in Richtung Nordosten langsam hinaus aus der Stadt. Nachdem das Flüßchen Gauja überquert ist verlasse ich auch die meist gut ausgebauten Straßen und folge einem Waldweg in Richtung Küste. Allerdings hilft einem auf der Suche nach einsamen Pfaden an die lettische Küste zeitweise selbst Google nicht weiter! Diese teilweise noch befahrenen Wege durch den Wald scheinen aus vergangenen Sowjet Zeiten zu stammen und werden offenbar aus Naturschutzgründen sukzessive für den öffentlichen Verkehr gesperrt. Leider geschieht das nicht so richtig konsequent, so dass man auf der einen Seite noch in den Wald hineinfahren darf aber auf der anderen schon nicht mehr hinauskommt. Und Google hat leider gar keinen Plan wo man fahren darf und wo nicht. Hier und hier könnt ihr auf ein paar sandigen und steilen Passagen ein Stück mitfahren. Letztendlich muss ich aber den Rückwärtsgang einlegen, da die Wege einfach zu schmal und zu sandig werden. Etwas weiter nördlich in Lilaste findet sich dann ein leider asphaltierter Parkplatz direkt am Strand, auf dem ich dann das erste Wochenendnachtlager aufschlage. Die Überfahrt zum Strand ist leider offiziell nicht gestattet , was der Schönheit dieser wilden Küste aber nicht im Wege steht, an der sich auch viel skuriles finden lässt.
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Tags drauf geht es nochmal etwas weiter nach Norden bis nach Tuja, wo sich seit meinem Besuch vor zwei Jahren auch einiges getan hat. Der kleine Campsite an der Küste wurde und wird kräftig ausgebaut, so dass er wohl demnächst doppelt so viele Stellplätze anbieten kann. Seit Ende September ist er bereits geschlossen, aber ich darf mich trotzdem hinstellen wo ich mag und so nehme ich natürlich eine Platz direkt am Strand mit unverbautem Ausblick. Ebenfalls einen unverbauten Ausblick wie allerdings auch Einblicke bietet eine hübsche aber leider private Sauna unweit vom Campsite. Offenbar hat hier aber die Saison noch nicht begonnen und das Häuschen wirkt ziemlich verwaist. Mit dem letzten Sonnenlicht zu bereits recht früher Tageszeit geht es dann langsam wieder südwärts in Richtung Riga.

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leider, und das muss auch mal erwähnt werden, gibt es in dieser schönen Stadt einige ganz wenige Volldeppen, die die ganze Stadt mit ihren überlauten Motorrädern beschallen und offenbar private Rennen austragen oder einfach nur Spaß daran haben zig tausende Menschen mit ihrem Lärm zu belästigen. Die leiden offenbar an einem Aufmerksamkeitsdefizit und die lettische Polizei scheint auch nicht dagegen vorzugehen. Also wer es eher ruhiger mag, dem ist von Riga abzuraten, da diese Stadt wegen des nahen Hafens und des immensen Autoverkehrs ohnehin nicht besonders leise ist. Kleine Minuspunkte muß sich auch der Riga City Campsite gefallen lassen. Die Lage hinter den Messehallen unweit der Technischen Universität Riga auf einem rund um die Uhr bewachten Platz ist zwar soweit ok, wenn auch nicht gerade Lagerfeuerromatik aufkommt, aber die Sanitäranlagen sind leider nur als provisorisch zu bezeichnen. Die Duschräume versprühen den Charme eines Militärlagers und die restlichen Einrichtungen befinden sich in zwei kleinen Containern. Ein festes Sanitärhaus mit allen erforderlichen Einrichtungen würde dem Namen eher alle Ehre machen, zumal der Campingplatz selbst jetzt in der Nachsaison noch recht gut besucht ist.

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nach gerade mal so eben bestandenem russisch Examen 😉 geht es auch leider schon wieder heimwärts via Litauen und Polen durch herbstliche Landschaften. Für einen Abstecher nach Rom bleibt aber auch noch etwas Zeit 🙂

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До свидания и До скорого!

and don’t forget to check out from black coffee; soul on fire and turn up your speakers 😉

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