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Das Hochland / the highland
In der Nacht hat es leichten Frost gegeben, der einige vereisten Holzstufen an den Sanitäranlagen des Campingplatzes Myvatn hinterließ, welche einem am frühen und nebeligen Morgen leicht zum Verhängnis werden können. Glücklicherweise bekommen die allermeisten Besucher von diesem sommerlichen Wintereinbruch nichts mit, so dass wir trotz oder gerade wegen des frühen Morgens ohne Hektik und gemütlich nach dem Frühstück in Richtung Tankstelle und Supermarkt aufbrechen, als sich gerade die Sonne durch den Strahlungsnebel kämpft. Vollgetankt und mit Verpflegung für mindestens sechs Tage geht es dann endlich in Richtung Hochland, zunächst noch ein kleines Stück über die asphaltierte Ringstraße No 1 in Richtung Osten, der Sonne entgegen. Es gibt eine überschaubare Anzahl von Zufahrten in das isländische Hochland von denen wir von Norden kommend die F88 wählen, die am Herðubreið vorbeiführt der uns während der Fahrt immer wieder imposante Anblicke verschafft, zumal der 1677 m hohe Vulkan noch eine dicke Schneemütze auf hat, die auch tatsächlich aussieht wie ein Mütze. Ein Schild an der Zufahrt zur F88 weist lapidar auf zu durchquerende Furten hin, die allerdings nach unseren angelesenen Kenntnissen recht tief sein können. Die 108 km zu unserem Ziel der Askja sollten aber doch zu schaffen sein?
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Die holprige und mit viel Wellblech versehene Straße windet sich in zahlreichen Kurven mehr oder weniger parallel zum Jökulsá á Fjöllum beständig nach Süden und man hat nach kurzer Zeit bereits den Eindruck sich über „roads in the middle of nowhere“ zu bewegen. Der Jökulsá á Fjöllum ist der mächtige „Gletscherfluß auf den Bergen“ , der den bereits besuchten Wasserfall Dettifoss speist.
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Obwohl wir auf den ersten 30 km niemandem begegnen, scheinen sich an der ersten Furt alle verabredet zu haben? Glücklicherweise ist diese lange nicht so tief wie es offenbar möglich wäre, es sollen schon Wasserstände von weit mehr als einem halben Meter bei diesen Zuflüssen zur Jökulsá á Fjöllum geherrscht haben. Wir warten bis die Mietwagenreisenden sich hinüber getraut haben und lassen noch einen eiligen Ranger passieren. Nachdem uns die Pause lang genug erschien und man offenbar für ein gutes Foto auf uns wartet, passieren wir dennoch wenig spektakulär in langsamer Fahrt und ohne Gischtfontänen.
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Nach der zweiten etwas tieferen und breiteren Furt, welche aber auch gemächlich dahinfließt, erreichen wir die Hütte Herðubreiðarlindir. Von hier aus wäre eine Besteigung des Herðubreið möglich, aber es sprechen zwei Dinge dagegen. Der Gipfel ist in diesem Sommer noch mit meterhohen Schneeverwehungen bedeckt und das Wetter hat sich im Laufe des Tages wieder verschlechtert, so dass wir mit bald einsetzendem Regen rechnen.
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Also geht es nach einer Teepause weiter in Richtung Drekihütte, wo wir übernachten wollen. Da wir uns jetzt im Nationalpark befinden, ist es verboten irgendwo auf freier Strecke zu übernachten. Es wäre aber bei der einspurigen Straßenführung nur in einigen wenigen Ausweichstellen überhaupt möglich, einmal etwas länger anzuhalten. Offroad fahren, was soviel heißt wie neben der Sand-, Lava- und Geröllpiste sein Profil in die Landschaft zu drücken, ist auf Island illegal: „drivers will be fined or imprisoned“ und man darf auch gerne derart beobachtete Aktivitäten der Polizei oder einem Ranger melden. Wir kennen solche leicht denunzierenden Aufforderungen bereits aus Canada, welchen Sinn das aber macht, werde wir viel später noch mit einigen Fotos dokumentieren können.
Am Nachmittag treffen wir an der Dreki Hütte ein. Die Bezeichnung Hütte ist allerdings etwas irreführend, es handelt sich eher um ein Camp mit mehreren Übernachtungshütten, sowie einer Polizeistation samt Bergrettungsdienst. Das ganze heißt dann Lögreglan und Björgunarsveit. Einige Neubauten stehen ebenfalls kurz vor der Fertigstellung, die Lögreglan müssen allerdings noch mit einer Containerunterkunft vorlieb nehmen.
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Nachdem wir 3000,- ISK gespendet haben, dürfen wir uns nach belieben einen Platz hinter dem recht großen Waschhaus aussuchen. Dort haben sich bereits einige Reisenden mit Motorrädern, Landi’s und Expeditionsmobilen, sowie diversen anderen Allrad Fahrzeugen mit und ohne Zelt eingefunden, und es sollten noch einige mehr werden. Die Isländer selbst haben für diese Verschleiß fördernden Pisten übrigens keine besonderen Fahrzeuge, allradgetrieben klar, aber das wesentliche Merkmal ist meist das höher gelegte Fahrwerk und die Ausstattung mit Ballonreifen. Die kann man hier tatsächlich sehr gut gebrauchen, wir dagegen begnügen uns mit den „kleinen“ 285’er AT Reifen, die aber, soviel sei verraten, die ganze Reise durchhalten werden.
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Kaum haben wir auf dem sandigen aber hartem Untergrund eingeparkt, beginnt es aus Kübel zu regnen, oder wie ich es gerne nenne: Schüttregen! Dazu einige heftige Sturmböen die uns veranlassen nochmal umzuparken, den Bug in den Wind drehen 🙂 Das sind diese Momente in denen ich dankbar für unser mobiles aber festes Dach über dem Kopf bin. Während sich einige Zelter in die Hütten flüchten, sitzen wir gemütlich bei heissem Tee und lauschen dem heulen und prasseln des Sturms.
Als sich der Sturm verzogen hat, machen wir am frühen Abend noch einen kleinen Ausflug zur Drekagil, der Drachenschlucht. Ein Loch in einer Felswand inspiriert zu einigen Gruselgeschichten und der Frage, ob der hingestreckte Arm tatsächlich wieder heil herauskommen wird? Am Ende der Schlucht stürzt uns ein Wasserfall entgegen, so dass ein weiterkommen nicht möglich ist und wir umdrehen müssen.
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Ein sonniger Morgen treibt alle im Camp früh aus den Zelten und Reisemobilen, so dass bereits um 0700 ein riesiges Gedränge in den Waschräumen herrscht. Nachdem wir uns ausreichend gestärkt haben, brechen wir bereits um 0845 zum Öskjuvatn auf, einem riesigen See in der Caldera des Vulkans Askja. Erstaunlicherweise sind wir nach 15 Minuten steilem Anstieg allein! Entweder wollen die vielen Leute woanders hin oder sie fahren die 8 km direkt mit dem Auto bis zum See, das geht nämlich leider auch. Glücklicherweise verlaufen Wanderweg und Straße aber vollkommen getrennt voneinander. Während die Straße zunächst nach Nordwesten in einem großen Bogen zum See verläuft, führt uns der Wanderweg zunächst direkt nach Westen, mit einigen schlenkern nach Südwesten. Wir genießen das Wetter, die Leere und die grandiose Landschaft. Es liegt noch sehr viel Schnee und wir queren diverse Schneefelder, auf denen uns einige Stangen als Wegmarkierungen die Orientierung erleichtern. Als wir den Rand der Caldera erreichen, bietet sich von gleich auf jetzt ein unbeschreiblicher Ausblick. Ein tiefblauer Öskjuvatn umrahmt von steilen Lavawänden, das ganze mit einer Menge Schnee verziert. Amazing 🙂 wie der Amerikaner zu sagen pflegt. Ein steiler schneebedeckter Lawinenkegel liegt vor uns, auf dem man relativ leicht zum See hinunter käme und dann weiter nordwestwärts in Richtung Straße zum kleinen Bruder des Öskjuvatns, dem Viti. Weil wir diesen steilen Abstieg aber auch wieder hinaufsteigen müssten, auf die an der Straße vermutete Blechlawine wenig Lust haben und in der Zwischenzeit ein recht starker und eisiger Westwind bläst, kehren wir nach kurzer Rast wieder um und sind nach insgesamt 12 km, begleitet von immer stärkeren Sturmböen, bereits um 1300 wieder zurück im „Basislager“, wo wir beinahe die einzigen sind. Hier unten ist es zwar windgeschützt, dennoch wärmen wir uns erst einmal an heißem Tee mitten im August.
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Da es früher Nachmittag ist, beschließen wir spontan noch einen weiteren Ausflug zum Holuhraun, einer Spalteneruption des Vulkans Bárðarbunga unter dem Gletscher Vatnajökull, die erst Ende Februar 2015 zum Stillstand kam. Das ganze Gebiet war zunächst bis zum Dettifoss gesperrt, u.a wegen erhöhter Schwefeldioxidkonzentrationen, so dass wir während unserer groben Reiseplanungen alternativen berücksichtigen mussten. In der Zwischenzeit wurden die Warnstufen aber wieder herabgesetzt und zumindest die meisten Sperrungen aufgehoben. Die südliche F910 bleibt allerdings gesperrt, und leider wegen Unbefahrbarkeit aufgrund der immer noch anhaltenden Schneeschmelze auch die nördliche F910, auf der wir eigentlich nach Westen in Richtung Sprengisandur das Hochland vollständig durchqueren wollten.
Die Fahrt zum Holuhraun dagegen endet beinahe im Treibsand eines Sandsturmes, ausgelöst durch katabatische Fallwinde vom Vatnajökull, deren Ausläufer wir ja bereits bei unserem Abstieg vom Öskjuvatn zu spüren bekamen. Unter Einsatz der gesamten Technik und beherztem Gas geben kommt unser ExMo aber durch ohne stecken zu bleiben. Mangels ausreichender Vorbereitung für diesen Ausflug, haben wir noch beinahe den vollen Luftdruck auf den Reifen, was für diese Sandpiste nicht gerade angemessen ist. Ein echter Greenhorn Fehler. Da sind wir aber in bester Gesellschaft, weil uns ein ahnungsloser Jeep Fahrer mit seinem viel leichteren Gefährt beinahe ausbremst, als er sich entscheidet, anstatt etwas zügiger zu fahren, einfach mal anzuhalten 🙁 und wir erinnern uns „offroad is illegal“, gut das es nicht so genau zu erkennen ist, wer in diesem Moment offroad fährt und so ziehen wir links vorbei 🙂 Hier könnt Ihr bei 64° 58.06’N, 16° 34.41’W für ein kurzes Stück mit über die Piste schlingern, die Unschärfe ist leider dem Sand geschuldet. „track to Holuhraun“
Am Lavafeld des Holuhraun angekommen, ist die Badewassertemperatur dann mit gut 60°C doch etwas zu hoch, so dass es beim Füße baden bleibt.
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Damit wir mal so richtig bei angenehmer Temperatur baden können, fahren wir Tags drauf weiter in Richtung Süden mit dem Ziel Laugarvellir. Unterwegs erklimmen wir ausnahmsweise mit ExMo einen befahrbaren Hügel mit der geringfügigen Chance auf einen schönen Rundumblick. Aber leider sind wieder einige heftige Schauer unterwegs und oben angekommen gesellen sich zu den Schauern auch noch Sturmböen hinzu, die offenbar ihren Spaß daran haben, uns mal ein wenig umschmeißen zu wollen. Also wieder den Bug in den Wind und abwarten (irgendwie scheint es selbst im isländischen Hochland ganz nützlich zu sein, mal einen Segelschein gemacht zu haben 🙂 )
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Nach einem morgendlichem Bad am Samstag, welcher ja ohnehin Badetag ist 🙂 , machen wir uns auf zu unserem nächstes Ziel, dem Vulkan Snæfell, der mit 1833 m der höchste Berg Islands ausserhalb des riesigen Vatnajökull Gletschers ist. Auf den Weg dorthin müssen wir den Kárahnjúkar Damm überqueren, dessen Wasserkraftwerk eigens zum Zweck der Aluminiumherstellung erichtet wurde. Mit einer Leistung von 690 MW eines der größten Wasserkraftwerke Europas, von dem nicht eine einzige kWh für die Isländer erzeugt wird. Das zu verhüttende Aluminiumerz wird darüber hinaus importiert, da Island über keinerlei nennenswerte Bodenschätze verfügt. Ein mit hin einzigartiges ökologisches Fiasko. Für wenige 100 Arbeitsplätze, zerschneidet dieser Stausee die Wechsel der größten isländischen Rentierpopulationen und liegt zudem noch im Einflußbereich aktiver Vulkane des Vatnajökull.
Glücklicherweise gibt es unweit des Stausees ein riesiges Panorama auf den Snæfell, zu dem wir noch am selben Tag von der Snæfellskali aus zu einer Wanderung aufbrechen. Der Gipfel blieb aber am Nachmittag wolkenumhüllt, so dass wir vorzeitig umkehren mussten. Da am nächsten Tag bei Temperaturen um 0° ein eisiger Wind blies, hatten wir aber an diesem Nachmittag die richtige Entscheidung getroffen. Auf dem Rückweg erspähen wir dann in großer Entfernung sogar noch eine Rentierherde. Und obwohl sich diese im eigens angelegten Nationalpark befand und somit eigentlich geschützt sein müsste, begann just an diesem Tag die Jagd auf diese Tiere, und zwar auch innerhalb des Nationalparks. Absurde Begründung der Rangerin in der Snæfellskali: es gebe wegen der geringen Weideflächen und der kurzen Vegetationsperiode sonst zu viele Tiere! Damit ist leider auch auf Island klar, wo die Prioritäten liegen. Die Einnahmen durch den Verkauf von günstigem Strom haben den Vorrang vor den ohnehin knappen Weideflächen.
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to be continued: Island 2015 part3